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Kapitel 2: Melissa Klein vor Gericht

 

 

Am Sonntagmorgen las die geniale Fälscherin Anja Weißer ruhig und gelassen wie immer die Allgemeine Sonntagszeitung. Sie saß dabei im Wohnzimmer und frühstückte zusammen mit ihrem Bruder Heinrich Weißer im Einfamilienhaus ihrer Eltern in Berlin. Besagte Eltern waren wie sooft nicht zugegen, weshalb die Geschwister in diesem Haus nur einander hatten. "Anja! Ich bin dein älterer Bruder und ich habe ein Recht auf diese Zeitung. Also gib sie mir endlich.", schimpfte Heinrich nun schon zum vierten Mal an diesem Morgen.

"Nein. Es steht sowieso nichts über dich drin.", meinte Anja.

"Und wenn doch? Ich muss doch wissen, ob die Belohnung auf meine Ergreifung erhöht wurde. Nach all den Einbrüchen und Überfällen die auf mein Konto gehen, muss sich da doch was getan haben. Also gib mir endlich diese Zeitung!", befahl der gesuchte Verbrecher seiner jüngeren Schwester, während diese ungeniert weiterlas.

"Irgendwann ist die Belohnung auf deine Ergreifung so hoch, dass dich irgendwer verpfeift, dem du eigentlich dein Leben anvertrauen würdest. Man kann schließlich nie so genau wissen auf welche Art und Weise eine enorme Menge Geld auf bestimmte Menschen wirkt. Aber mir kannst du vertrauen; dein Geheimnis ist bei mir in guten Händen.", erklärte Anja ihrem Bruder Heinrich, während sie aber natürlich nicht aufhörte die Zeitung zu lesen.

Doch plötzlich hörte sie einfach so auf zu lesen. "Heinrich! Schau dir das hier mal an. Das darf doch nicht war sein!", meinte sie entsetzt, während sie den Artikel erblickte, in dem es um Melissa‘s überraschende Festnahme ging.

Heinrich, der ihr zuvor gegenüber gesessen hatte, kam zu ihr und sie lasen den kurzen Artikel gemeinsam. Das dauerte keine fünf Minuten, denn besagter Artikel war ziemlich kurz. "War diese Melissa eine Freundin von dir?", fragte Heinrich.

"Sie ist immer noch eine Freundin von mir! Rede nicht so von ihr, als sei sie tot! Hilf ihr lieber. Bitte. Bitte.", begann Anja zu betteln.

"Wie soll ich ihr denn helfen?"

"Da wird dir schon etwas einfallen. Schließlich bist du ein schlaues Kerlchen."

"Ja das bin ich. Aber das beantwortet meine Frage nicht.", entgegnete Heinrich.

"Na du bist doch dieses blaue Phantom, oder etwa nicht? Oder wie war das noch...? Nennst du dich blaues Phantom, oder hieß es Fantomas junior?"

"Fantomas junior?! Die Presse nennt mich Fantomas junior, weil ich mich immer verkleide. Fantomas junior; ich bitte dich! Zwar ist Fantomas in gewisser Hinsicht mein Vorbild, aber ich töte keine Menschen. Und außerdem hinterlasse ich jedesmal am Tatort meine Visitenkarten. Und auf denen steht ganz klar und deutlich: Das Phantom mit den 1.000 Gesichtern (Phantom Eintausend) hat wieder zugeschlagen. Was das angeht hatte ich kaum eine Wahl. Immerhin gibt es bereits ein schwarzes und ein weißes Phantom. Ein blaues Phantom gibt es auch schon. Und es gibt auch schon einen Fantomas. Die Filme haben wir uns ja alle zusammen angesehen. Und ein Phantom, dass sich einfach nur Phantom nennt, gibt es auch schon. In dem Film "Der rosarote Panther". Den haben wir auch zusammen gesehen. Und als ich all diese Filme sah, war mir klar das ich mich so nicht nennen konnte, weil es diese Namen bereits gibt und sie, wenn auch nur in Filmen, bereits würdig vertreten werden. Also nannte ich mich so, wie ich mich bekanntermaßen noch heute nenne. Ich weiß aber nicht, wie die Presse auf Fantomas junior kommt...", beschwerte sich Heinrich Weißer.

"Ist doch egal! Wen interessiert das? Ich denkt, du kannst meiner Freundin Melissa helfen. Du hast schon etliche Verbrechen begangen, die nie vollständig aufgeklärt werden konnten. Und du hast schon einmal einen Freund von dir aus der Gewalt der Polizei befreit."

"Ja schon. Aber dieser Freund saß nicht in Untersuchungshaft; er war mit mir zusammen bei den Krawallen zum 1. Mai und zwei Polizisten hatten ihn erwischt. Ich warf mich auf den einen und mit dem anderen wurde er selbst fertig. Die beiden hatten ein paar blaue Flecken abgekriegt und wir konnten entkommen. Wenn du mir hin und wieder zuhören würdest, während ich dir etwas interessantes erzähle, dann wüßtest du das auch."

"Mag sein. Aber du bist immerhin das Phantom mit den 1.000 Gesichtern. Auch bekannt als Phantom Eintausend... Ja siehst du; ich habe dir doch zugehört! Also las dir endlich etwas einfallen.", jammerte Anja Weißer weiter.

"Also gut. Ich lasse mir etwas einfallen.", versprach das Phantom.

Er stand auf und ging in den Keller des Einfamilienhauses. Dies war sein Reich. Hier bewahrte er seine Arbeitsmaterialien auf, zu denen natürlich jede Menge Kostüme zählten. Hier verkleidete er sich, bevor er seine üblichen Beutezüge antrat. Hier war er ganz für sich allein. Dieser Keller war eine Hochburg für jedes männliche Ego, zu der keine Frau Zutritt hatte. Keine Frau, außer seiner Schwester, da er sich diesen Keller mit ihr teilte. Schließlich musste sie einige von ihren Arbeitsmaterialien hier unten lagern, da man als Fälscherin ja jede Menge Zubehör braucht, wenn man einen Pass oder eine bestimmte Urkunde perfekt fälschen wollte. Und Anja war eine Perfektionistin. Doch es machte Heinrich Weißer nichts aus, sich den Keller mit seiner Schwester teilen zu müssen. Immerhin brauchte er ihre gefälschten Pässe hin und wieder, um seine Arbeit ordnungsgemäß verrichten zu können. Und einen falschen Ausweis konnte man ja schließlich immer brauchen.

 

 

In den darauffolgenden sieben Tagen überschlugen sich die Ereignisse. Der Staatsanwalt und seine Mitarbeiter arbeiteten fieberhaft an der Anklage. Staatsanwalt Herrmann Hess war in seiner Branche noch jung und unerfahren, doch er wollte ganz groß Karriere machen. Und der Fall Melissa Klein war seine Chance, denn bisher hatte er nur kleinere Fische angeklagt. Doch dieser Fall war eine ganz große Nummer. Na gut, so großartig ist dieser Fall nun auch wieder nicht (und ich als Autor muss es ja wissen), aber der 22jährige Staatsanwalt würde den Fall schon irgendwie größer, komplizierter und umständlicher darstellen als er es eigentlich war. Er würde etliche Zeugen vorladen, die sich bei ihm gemeldet hatten, weil sie glaubten dass Melissa Klein alias Susanne Beck ihnen mit einem Verbrechen geschadet hätte. "Ich werde etliche Zeugen vorladen! Große Zeugen, kleine Zeugen. Gläubige Zeugen, ungläubige Zeugen. Weibliche Zeugen, Männliche Zeugen. Weiße Zeugen, farbige Zeugen. Zeugen aus Berlin, Zeugen aus Hamburg, Zeugen aus Wolfsburg. Sogar einen britischen Polizisten, der deutsch sprechen kann, habe ich vorgeladen. Dies wird ein Prozess auf internationaler Ebene! Dies wird der größte Prozess aller Zeiten! Und ich werde ihn gewinnen! Damit werde ich in die Geschichte eingehen und unsterblich werden. Man wird noch in 1.000 Jahren von mir reden, wenn dieser spektakuläre Prozess zu Ende ist! Die Welt wird sich an meinen großartigen Erfolg ewig erinnern!", prahlte der junge Staatsanwalt vor seinem extrem unterbezahlten Sekretär, der seinen Vorgesetzten schon seit langem für vollkommen durchgeknallt hielt.

Ansonsten passierten jedoch noch andere seltsame Dinge. Melissa Klein alias Susanne Beck erhielt in der Untersuchungshaft Besuch von ihrem Vater, der einige Zeit zuvor zusammen mit ihrer Mutter der Presse gesagt hatte, dass sie nichts mehr mit ihrer einzigen Tochter zu tun haben und sie auch nie wiedersehen wollten. Außer ihrem Herrn Vater hatte sie nur ihr unerfahrener Anwalt besucht, der seine ganze, extrem labile Verteidigung auf ihrem Recht zu schweigen aufbauen wollte. Kommissar Schubert sprach noch einige Male mit Sandra Weck, doch sie konnte ihm und seinen Kollegen nur sagen, dass sie den anderen Amokläufer höchstens an seinem unmenschlichen Lachen wiedererkennen würde. Ansonsten stellte sie nur fest, dass der zweite Killer ein 1,80 Meter großer, männlicher Weißer zwischen 16 und 46 war. Diese wenigen Informationen brachten die Berliner Polizei leider nicht besonders weiter. Die Eltern des toten Amokläufers wußten natürlich nicht wer der Komplize sein könnte und der alte Komplize von ano damals wußte da leider auch nicht weiter. Aber das wäre so ja auch viel zu einfach gewesen, oder?

 

 

Am Montag nach diesen sieben Tagen betrat Kommissar Christian Schubert endlich wieder sein Büro. Er konnte zwar wieder einigermaßen ohne Krücken gehen, doch für längere Strecken brauchte er sie noch. Sein Kollege Vincent Schuber begrüßte ihn herzlich und teilte ihm umgehend alles wissenswerte mit. Dies tat er natürlich erst, nachdem er seinem Partner dabei zugesehen hatte, wie dieser sich hinsetzte. Er selbst blieb erstmal stehen. "Der Prozess gegen unsere alte Freundin Melissa Klein alias Susanne Beck beginnt am Mittwochmorgen um 10:00 Uhr. Sie wird wegen etlichen verschiedenen Delikten angeklagt, die allesamt schön um die Anklage wegen Mordes an Jack Liefers aufgebaut wurden. Jack war zwar ein Serienkiller, aber Mord bleibt laut Meinung der Staatsanwaltschaft Mord. Ein Verbrechen bleibt eben ein Verbrechen und da kennt die Staatsanwaltschaft soweit ich weiß keine Gnade. Ich wurde überraschend als Zeuge geladen. Ich wußte nicht, dass man auch ermittelnde Beamten vorladen kann, wenn ihr Fall vor Gericht kommt. Wurden sie etwa auch als Zeuge geladen? Es würde mich nicht wundern, denn immerhin waren sie der Leiter der Ermittlungen.", berichtete Kommissar Vincent Schuber.

"Ich wurde bei dieser öffentlichen Verhandlung zum Glück nicht als Zeuge geladen. Der Staatsanwalt ist ein alter Feind von mir. Herr Herrmann Hess kann mich nicht leiden und ich hasse ihn. Er ist karrieregeil und denkt nur an sich selbst. Er leistet meistens schnelle Arbeit, aber das heißt natürlich noch lange nicht das er auch gute Arbeit leistet. Und das tut er auch nicht. Er wird versuchen diesen Prozess unendlich weit auszuweiten, was eigentlich völlig sinnlos ist. Er hat sogar die Zeitungen für seine Zwecke mißbraucht, in dem er Anzeigen aufgegeben hat, um noch unbekannte Zeugen ausfindig zu machen und alle Verbrechen die Melissa jemals begangen hat mit Hilfe dieser Zeugen in einen großen Prozess zu packen. Aufgrund dieser Zeitungsanzeigen haben sich bestimmt eine Menge Leute bei der Polizei gemeldet, um gegen Melissa auszusagen. Und Herrmann Hess wird sie bestimmt alle in den Zeugenstand rufen, damit sie vor Gericht gegen Melissa aussagen. Er will sich einen Namen machen. Darum hat er mich nicht als Zeugen geladen. Denn ich könnte ihn vor Gericht ziemlich leicht fertig machen; selbst wenn ich nur als Zeuge fungiere. Aber egal. Es reicht ja auch, wenn nur einer von uns beiden aussagt. Wir haben auf der Jagd nach Melissa ja im großen und ganzen dasselbe erlebt. Aber keine Sorge; ich werde diesem spektakulären Prozess natürlich als uniformierter Zuschauer beiwohnen und ihnen im Geiste beistehen. Sie schaffen das schon."

"Ja. Ich schaffe das schon.", bestätigte Vincent.

"Vor welchem Richter wird der Fall nochmal verhandelt?"

"Vor einem älteren Mann um die 50. Er heißt Alex Bold und übt diesen Beruf schon sehr lange aus.", erklärte Kommissar Schuber seinem dienstälteren Kollegen.

"Steht das in ihrer Vorladung?"

"Nein. Da steht zwar der Name des Richters, aber sein Alter wurde natürlich ausgelassen. Aber ich bin ihm hier auf dem Revier schon einmal begegnet."

"Verstehe. Was wissen sie über die anderen Zeugen?"

"Ich weiß dass Bonnie Biedrig auch eingeladen... äh ich meine vorgeladen wurde. Also wird ihr Kollege Bernie Bund wahrscheinlich auch im Publikum sitzen.", berichtete Vincent.

"Wissen sie eigentlich, wer Melissa vor Gericht verteidigt?"

"Nein. Das steht aber sicher auch in der Vorladung. Ich glaube, ich habe den Namen des Verteidigers unter dem Namen des Staatsanwalts gelesen."

Vincent "das Fragezeichen" Schuber ging zu seinem Schreibtisch und suchte die Vorladung. Als er sie gefunden hatte, las er den Namen des Verteidigers laut vor: "Er heißt Pete Handtauninsom. Klingt recht amerikanisch. Ein seltsamer Name, von dem ich hier zum ersten Mal höre. Der Verteidiger von unserer Melissa Klein ist wahrscheinlich noch ein Neuling auf seinem Gebiet. Ich glaube das wird ein recht interessanter Prozess werden."

"Ja. Das wird bestimmt ein interessanter Prozess werden. Aber wir müssen leider noch etwas warten, bis er anfängt. Doch bis zum Mittwoch dauert es ja nicht mehr lange. Und dann wird alles sehr schnell vonstatten gehen.", entgegnete Schubert.

 

 

Am Mittwochmorgen um 10:00 Uhr begann der Prozess gegen Melissa Klein alias Susanne Beck im Lieblingsgerichtssaal des legendären Richters Alex Bold. Der etwa 50 Jahre alte Mann hatte in diesem Saal schon etliche Prozesse erlebt und hätte sich nur ungern an eine neue Umgebung gewöhnt. Wenn man durch die große Eingangstür besagten Saal betrat, dann standen links und rechts von einem jeweils 50 Stizplätze für Zuschauer. Der kleine Korridor, der den Zeugen und Zuschauern als Durchgang diente, führte direkt in den Zeugenstand. Links vom Zeugenstand saßen der Verteidiger (in diesem Fall Pete Handtauninsom) und sein/e Mandant/in (in diesem Fall Melissa Klein). Rechts vom Zeugenstand saßen der Staatsanwalt (in diesem Fall Herrmann Hess) und der Nebenkläger (in diesem Fall gab es keinen Nebenkläger). Neben dem Nebenkläger saß im Fall einer oder eines jugendlichen Kriminellen für gewöhnlich die Jugendgerichtshilfe (in diesem Fall war das Dr. Berta Sewell). Und vor dem Zeugen saß der Richter an seinem extra erhöhten Richterpult, mit dem er alle anderen im Saal sitzenden und stehenden Menschen überragte (in diesem Fall war das natürlich Richter Alex Bold). Neben dem Richter saßen für gewöhnlich zwei Gerichtsschreiber, die auf ihren Laptops alles aufschrieben was gesagt wurde. Vor den meistens vollständig besetzten 50 Sitzplätzen standen für gewöhnlich auf jeder Seite jeweils vier Stühle für die Zeugen, die dem Prozess trotz ihrer schon beendeten Aussage noch weiter beiwohnen wollten. Doch da diesmal ziemlich viele Zeugen aussagen würden, wurden auf jeder Seite extra zwei weitere Stühle hingestellt, wodurch insgesamt zwölf Zeugen Platz haben würden. Aber da vermutlich wesentlich mehr Zeugen aussagen würden, würde der Richter den ein oder anderen Zeugen bestimmt nach seiner Aussage wieder nach Hause schicken müssen. Es waren die Zuschauer, die als zweites den Gerichtssaal betreten durften; zuvor gingen acht Wachmänner hinein, die als einzige während des ganzen Prozesses stehen würden müssen. Sie sahen sich etwas im Gerichtssaal um und erledigten alles, was sie noch zu erledigen hatten. Die bewaffneten und uniformierten Wachen bereiteten alles für den Prozessbeginn vor. Anschließend stellten sie sich allesamt irgendwo hin. Das heißt eigentlich stellten sie sich nicht einfach so irgendwo hin; jeder von ihnen stand auf einem ganz bestimmten Posten und einer von ihnen war für die Tür zum Gerichtssaal zuständig. Er öffnete sie und sagte zu den vor dem Saal wartenden Zuschauern, dass sie nun eintreten könnten. Die Zuschauer begannen damit den Gerichtssaal langsam zu füllen und auch Kommissar Christian Schubert und sein Kollege Kommissar Bernie Bund traten ein. Schubert setzte sich in die letzte Reihe auf der rechten Zuschauertribüne. Er saß direkt an dem kleinen Korridorn und rechts neben ihm saß Kommissar Bernie Bund. Rechts neben Berine Bund saß die Fälscherin Anja Weißer, von der die beiden Kommissare Gott sei Dank nicht wußten, dass sie eine geniale Fälscherin war. "Da sitzt dieser Kommissar namens Schubert neben diesem anderen uniformierten Beamten. Ich dachte immer, dass Kommissare keine Uniformen tragen, sondern wie Zivilisten herumlaufen. In fast allen Filmen und Serien die ich bisher gesehen habe, liefen die ranghöheren Beamten immer in Zivil herum. Aber offensichtlich tragen diese Typen lieber ihre Uniformen, weil... ach wen interessiert das schon? Kann mir doch egal sein, warum die lieber wie echte Polizisten herumlaufen, anstatt wie gewöhnliche Menschen. Wahrscheinlich können dir ranghohen Kriminalbeamten anziehen was sie wollen. Und manche haben sich halt für die Uniform entschieden. Aber es sollte meine geringste Sorge sein, wie sich meine Feinde kleiden; schließlich gibt es wichtigere Dinge um die ich mir Sorgen machen sollte. Zum Glück wissen die beiden nichts von dem Plan, den ich und mein Bruder das Phantom ausgearbeitet haben. Okay; eigentlich hat er diesen genialen Plan ausgearbeitet. Aber ich habe ihn immerhin dazu gebracht überhaupt einen Plan auszuarbeiten, um meiner angeklagten Freundin aus der Patsche zu helfen. Und wichtig ist ja schließlich nicht, wer sich den genialen Plan ausgedacht hat, sondern das er funktioniert.", dachte die kriminelle Fälscherin.

Die Berliner Kriminalkommissare begrüßten einander und unterließen es dann weitere Gespräche zu führen. Die beiden Kommissare beobachteten stattdessen lieber die Zuschauer. Wobei Bernie Bund lediglich danach Ausschau hielt, ob sich alles und jeder an die Regeln hielt; was bedeutete das er genau darauf achtete, dass niemand etwas aß oder trank, denn das war im Gerichtssaal strengstens verboten. Die Zuschauer und die entlassenen Zeugen konnten natürlich jederzeit den Saal verlassen und zu den davorstehenden Automaten gehen und dort etwas zu essen oder zu trinken kaufen, aber der Richter und seine Kollegen konnten natürlich nicht einfach gehen. Ebensowenig wie die Angeklagte, weswegen jeder von ihnen für gewöhnlich ein Glas Wasser auf dem Tisch stehen hatte. Dafür waren die ober erwähnten Wachmänner zuständig. Auch diesmal standen die gefüllten Gläser an ihren angestammten Plätzen. Und Bernie Bund war froh festzustellen, dass sich jeder an die vorgeschriebenen Regeln hielt. Kommissar Christian Schubert achtete stattdessen darauf, ob er irgendwelchen bekannte Gesichter zu Gesicht bekam. Er hatte es nicht einfach gehabt mit seinen Krücken in den Gerichtssaal zu laufen, denn es war eine ziemlich weite Strecke gewesen. Doch Sandra Weck hatte es mit ihren Krücken auch nicht besonders leicht gehabt. Aber auch sie hatte es mit Hilfe ihrer Mutter in den Gerichtssaal geschafft, die natürlich nicht verstehen konnte wieso ihre geliebte Tochter zu einer solchen Verhandlung gehen wollte. "Du wurdest doch gerade erst aus dem Krankenhaus entlassen. Warum willst du dir so etwas antun?", hatte ihre Mutter sie gefragt, als sie ihr ihren Entschluß mitgeteilt hatte.

"Weil Melissa eine Schulkameradin von mir war. Und ich habe in den Zeitungen gelesen, dass nichtmal ihre Eltern kommen; also sollte wenigstens ich hingehen. Sie sollte im Publikum wenigstens einen Menschen sehen können, der ihr einigermaßen wohlgesonnen ist.", war Sandras gut überlegte Antwort auf die Frage ihrer Mutter gewesen.

Aber der Hauptgrund bestand wahrscheinlich darin, dass die blonde Sandra Weck sichergehen wollte, dass Melissa der Polizei und dem hohen Gericht nichts von ihrem gemeinsamen Verbrechen erzählte. Aber egal; ihre Mutter hatte ihr schließlich erlaubt zu der Verhandlung zu gehen, aber sie kam natürlich mit, da ihre Tochter ja leider Gottes noch immer nicht wieder ganz auf der Höhe war. Sie saß direkt neben Sandra, die rechts von sich den kleinen Korridor hatte. Die beiden Frauen hatten es sich auf der linken Zuschauertribüne bequem gemacht und Kommissar Christian Schubert hatte Sandra natürlich ziemlich schnell erkannt. Auch ihr war seine Anwesenheit natürlich nicht entgangen. Schließlich betraten der ehrenwerte Richter und seine wahrscheinlich weniger ehrenwerten Kollegen den inzwischen fast vollständig gefüllten Gerichtssaal. Auch Melissa Klein wurde hereingeführt. Natürlich bemerkte sie ihre im Publikum sitzenden Freunde und Feinde ziemlich schnell. Sie waren ja auch nicht gerade unauffällig. Seit ihrer Festnahme hatte sie die Aussage verweigert und nur mit ihrem Vater und ihrem Anwalt gesprochen. Nachdem alle Anwesenden sich für den ehrenwerten Richter erhoben und wieder hingesetzt hatten, konnte der lang erwartete Prozess endlich losgehen. Staatsanwalt Herrmann Hess stand nach der üblichen Eröffnungszeremonie von seinem Sitzplatz auf und verlas seine seiner Meinung nach hervorragend vorbereitete Anklageschrift: "Hohes Gericht. Der Angeklagten Melissa Klein werden folgende Straftaten zur Last gelegt..."

Er listete dem Gericht die Straftaten auf, wegen denen Melissa Klein heute angeklagt wurde:

 

Sie wurde wegen des Mordes an Jack Liefers angeklagt.

Sie wurde der Mitwisserschaft im Mordfall Thomas Liefers angeklagt.

Sie wurde des 25fachen Diebstahls angeklagt.

Sie wurde wegen Urkundenfälschung angeklagt.

Sie wurde wegen Besitzes gefälschter Papiere angeklagt.

Sie wurde wegen illegalem Besitzes eines Autos angeklagt.

Sie wurde wegen ihrer Flucht vor der Polizei angeklagt.

Sie wurde wegen Diebstahls von 500.000 Euro angeklagt.

Und sie wurde wegen Schmuggeln‘s angeklagt.

 

Als der Staatsanwalt mit der Verlesung seiner Anklageschrift und der dazugehörigen Paragraphen endlich fertig war, forderte der Verteidiger ihn, während er einen unauffälligen Blick in das Publikum warf, ruhig und gelassen auf: "Erläutern sie bitte den letzten Anklagepunkt für diejenigen, die ihn nicht nachvollziehen können."

"Gerne: Sie wird wegen Schmuggeln‘s angeklagt, weil sie dieses viele Geld außer Landes nach England geschmuggelt hat. Im Laufe dieses Prozesses werde ich beweisen, dass Melissa Klein alias Susanne Beck eine gemeingefährliche Kriminelle ist, die für immer eingesperrt werden muss!", erläuterte der Staatsanwalt, bevor er sich wieder hinsetzte.

"Können sie beweisen, dass meine Mandantin dieses Geld gestohlen hat?", fragte der Verteidiger den Staatsanwalt.

"Natürlich hat sie es gestohlen! Ich weiß zwar nicht wem sie es gestohlen hat, aber wie soll sie sonst an soviel Geld gekommen sein?", fragte Herrmann Hess.

"Na sie könnte es gefunden haben.", meinte Pete Handtauninsom.

Im Publikum fingen ein paar Zuschauer möglichst leise zu kichern an. "Das ist doch totaler Blödsinn! Ich werde in diesem Prozess beweisen, dass die Angeklagte nicht nur eine Diebin, sondern auch eine gefährliche Mörderin ist!", wetterte der Staatsanwalt.

"Tun sie das. Aber nun rufe ich ersteinmal die Angeklagte in den Zeugenstand.", meinte der etwa 50jährige Richter.

"Meine Mandantin verweigert doch die Aussage.", erinnerte der Verteidiger den Richter.

"Das mag sein. Aber der Form halber musste ich sie trotzdem aufrufen.", erklärte der Richter dem unerfahrenen Verteidiger.

Nach einem kurzen Schweigen rief der Staatsanwalt seinen ersten Zeugen auf. Bei diesem Zeugen handelte es sich um Dr. Alfred Lomm. Alfred Lomm war Gerichtsmediziner von Beruf und war mit dem Mordfall Jack Liefers bestens vertraut. Er trug einen schönen weißen Ärztekittel, was ihn natürlich deutlich vertrauenerweckender aussehen ließ, als den Richter und seine Kollegen in ihren schwarzen Roben. Er hatte die leblosen Körper von Jack Liefers und seinen vier Opfern in der Gerichtsmedizin untersucht. Und nun machte er eine Aussage vor Gericht, da Melissa ja die Aussage verweigerte und daher auch keine Angaben zum Tathergang machte. Nachdem der Richter die Personalien von Dr. Alfred Lomm durchgegangen war (und ihm erklärt hatte, er könne selbstverständlich die Aussage verweigern, wenn er sich dabei selbst belasten müsste), ging es auch schon los. "Dr. Lomm. Bitte erläutern sie dem Gericht, womit die Angeklagte den Mord an Jack Liefers begangen hat.", begann der Staatsanwalt, woraufhin er sogleich vom Verteidiger unterbrochen wurde.

"Einspruch!", rief dieser.

"Weswegen?", fragte der Staatsanwalt.

"Weil vor Gericht erst noch bewiesen werden muss, dass meine Mandantin den Mord begangen hat. Sie sagten aber zu Herrn Lomm, dass er erläutern möge, womit sie den Mord begangen hat. Versuchen sie nicht den Zeugen zu beeinflussen."

"Was reden sie da für einen Blödsinn?! Ich versuche gar nicht den Zeugen zu beeinflussen. Ich stelle ihm bloß die üblichen Routinefragen! Versuchen sie nicht mir einen Strick daraus zu drehen, wie ich meine Sätze formuliere!", konterte der Staatsanwalt, während er ruckartig aufstand, um seinen Worten mehr Gewicht zu verleihen.

"Also jetzt hören sie mal...", wollte der Verteidiger kontern, während er sich ebenfalls aufrichtete und dabei leider sein Namensschild vom Tisch schleuderte.

Sofort stand er ganz auf und ging um den Tisch. Er hob das Namensschild auf und stellte es wieder an seinen angestammten Platz. Diese kleine Ungeschicklichkeit brachte einige Leute im Publikum zum schmunzeln. "Sie sind vielleicht ein Idiot. Welcher Trottel hat sie bloß zum Anwalt gemacht?", fragte der inzwischen wieder sitzende Staatsanwalt hämisch.

"Also so nicht.", begann der Richter zu schimpfen.

"Was fällt ihnen eigentlich ein den Mann gleich zu beleidigen. So etwas kann jedem einmal passieren.", schimpfte er weiter mit dem Staatsanwalt.

"Also mir ist das noch nie passiert.", erwiderte Herrmann Hess.

"Gegen den Herrn Staatsanwalt wird ein Ordnungsgeld von 200 Euro, ersatzweise zwei Tage Ordnungshaft erlassen.", urteilte der Richter.

"Aber... das können sie doch nicht machen. Ich erhebe Einspruch!", jammerte der Staatsanwalt.

"Einspruch abgelehnt.", sprach der Richter.

"Ich protestiere!", protestierte Herr Hess.

"Man was für ein Idiot.", dachte der Verteidiger.

"Das reicht. Jetzt sind es nochmal 100 Euro mehr. Ersatzweise ein weiterer Tag Ordnungshaft. Und sie Herr Verteidiger hören damit auf den Staatsanwalt wegen seiner mangelhaften Formulierungen zu rügen. Unterbrechen sie ihn nur, wenn sie wirklich tatsächlich glauben er beeinflusse die von ihm selbst vorgeladenen Zeugen.", urteilte der Richter.

"Der Staatsanwalt ist ja nicht besonders hell in der Birne. Vielleicht ist das für mich von Vorteil .", dachte die Angeklagte.

Viele Zuschauer fanden das alles verdammt witzig. Sie lachten herzhaft über den ziemlich dummen Staatsanwalt, der nun ein Ordnungsgeld zahlen musste. Und Sandra erinnerte dieses Gelächter ein bischen an das Lachen der beiden Amokläufer, die auf sie geschossen hatten. Aber nur ein bischen. Denn keiner von den Lachern klang so wie der des verbleibenden Amokläufers. "Ruhe im Saal.", befahl der Richter, woraufhin sofort wieder Ruhe einkehrte.

"Ich fahre dann mal fort.", meinte der Staatsanwalt ganz kleinlaut.

"Tun sie das.", kommentierte der Richter genervt von der Dummheit des Staatsanwaltes.

"Also gut. Herr Lomm; wurde der Mord mit dieser Axt begangen?", fragte der Staatsanwalt, während er auf den Richter zeigte, der mehrere in Tüten verpackte und beschriftete Beweisstücke auf seinem großen Richterpult zu liegen hatte.

"Ja. Damit wurde Jack Liefers ermordet.", bestätigte Dr. Lomm, nachdem der Richter bereitwillig die in einer durchsichtigen Tüte steckende Tatwaffe hochgehalten hatte.

"Wessen Fingerabdrücke fanden sich auf der Tatwaffe mit der Jack Liefers getötet wurde?"

"Die von der Angeklagten Melissa Klein.", antwortete Dr. Lomm auf die Frage des eher weniger ehrenwerten Herrn Staatsanwalts.

"Und wessen Fingerabdrücke befanden sich auf dem Messer, dass man an einem anderen Tatort gefunden hatte?", fragte der Verteidiger den Zeugen urplötzlich.

"Ich weiß welchen Tatort sie meinen. Und an dem Messer wurden die Fingerabdrücke von Jack Liefers gefunden.", erklärte der Zeuge.

"Und was fand man in Jack Liefers Hand, als seine Leiche in seinem Keller aufgefunden wurde?"

"Eine Pistole, aus der ein Schuss abgefeuert worden war.", meinte Dr. Alfred Lomm.

"Genau. Sehen sie hohes Gericht; meine Mandantin ist unschuldig, denn sie handelte nur aus Notwehr. Sie war von einem gemeingefährlichen Killer entführt und mit Wahrheitsserum in seinem eigenen, privaten Folterkeller verhört worden. Anschließend brachte eben dieser geistesgestörte Killer ihre Freunde Frank von Regensburg, Jan Romes, Tony Coaster und Franz Fenster um und kam mit seiner Knarre in den Folterkeller zurück, um sie auch noch zu eliminieren. Sein blutbeschmiertes Messer hatte er am letzten Tatort verloren, nachdem er damit vier Menschen getötet hatte.", erklärte der Verteidiger dem hohen Gericht.

"Das meiste davon stimmt ja auch. Aber es gibt keinen nennenswerten Beweis dafür, dass sie mit dem Serum überhaupt verhört wurde. Und sie verweigert ja die Aussage."

"Ja. Aber nur, weil sie glaubt, dass ihr hier sowieso niemand glaubt.", sprach der Verteidiger für seine schweigende Mandantin.

"Sie hat den Killer mit der uns vorliegenden Axt ermordet. Und Mord bleibt Mord. Egal wer ermordet wird.", meinte der Staatsanwalt.

"Es war kein Mord, sondern Notwehr!", fuhr Pete Handtauninson Herrn Herrmann Hess an.

"Nein es war Mord!"

"Notwehr!"

"Mord!"

Notwehr!”

Mord!”

"Notwehr!"

"Mord!"

"Notwehr!"

"Mord!"

"Notwehr!"

Mord!”

Notwehr!”

"Definitiv Mord!"

Eindeutig Notwehr!”

Und genau auf diese Art und Weise ging das ganze ein paar Minuten lang weiter, bis der Richter ein weiteres Ordnungsgeld von jeweils 100 Euro an beide Anwälte verhing. Das hieß, dass Herrmann Hess dem Staat nun schon 400 Euro schuldete, wohingegen Pete Handtauninson ihm nur 100 Euro schuldete. Die meisten Zuschauer hatten in den letzten paar Minuten sehr viel Spaß gehabt, denn diese Diskussion zwischen den beiden Anwälten hatte sie an ihre Zeit im Kindergarten erinnert. Schließlich fragte Richter Alex Bold die beiden Anwälte: "Haben sie noch irgendwelche Fragen an den Zeugen?"

"Nein ich habe keine Fragen mehr.", entgegnete Herr Hess.

"Ich hätte noch eine.", meinte der Verteidiger.

"Nur zu. Der Zeuge ist ja noch nicht entlassen.", kommentierte der Richter mit einer ausladenen Handbewegung.

"Dr. Lomm. Wurde bei Jack Liefers eine Flasche mit Wahrheitsserum gefunden?"

"Ja. Und soweit ich informiert bin, liegt es hier als Beweisstück vor."

Das stimmte. Der Richter hielt es gerade in der Hand. Zuvor hatte es direkt neben der dazugehörigen Spritze und der Pistole von Jack Liefers gelegen. "Wurde das Serum noch an anderen Personen als an meiner Mandantin benutzt?", fragte der Verteidiger.

"Einspruch. Es gibt keinen Beweis dafür, dass die Angeklagte..."

"Das ist mir klar Herr Staatsanwalt. Aber ich will das jetzt hören, also bitte!", unterbrach der ehrenwerte Richter den Staatsanwalt.

Der Zeuge war einen Moment lang etwas verwirrt, antwortete dann aber:"Ja. Das Serum wurde bei dem ersten Mordopfer von Jack Liefers benutzt."

"Kann die Version des Serums, die Jack Liefers benutzte, dazu führen das man nicht mehr klar denken kann?", fragte der Verteidiger.

"Ja. Das kann durchaus passieren."

"Keine weiteren Fragen."

"Sie können gehen Herr Zeuge. Ich dachte Dr. Lomm wäre ihr Zeuge Herr Staatsanwalt.", meinte der Richter, während er sich in Richtung Staatsanwalt umdrehte.

"Na und? Das mit dem Serum mag zwar stimmen, aber egal wie man es dreht und wendet; Melissa Klein ist schuldig! Und das werde ich mit meinem nächsten Zeugen beweisen!", wetterte der Staatsanwalt, während der Docktor der Gerichtsmedizin den Zeugenstand verließ und sich auf einen der insgesamt 12 Stühle setzte, die für die Zeugen bestimmt waren.

"Ich rufe nun meinen nächsten Zeugen auf: Kommissar Vincent Schuber.", sagte der Ankläger, nachdem sich Dr. Lomm gesetzt hatte.

Wenige Sekunden später betrat Kommissar Vincent Schuber den Zeugenstand. Die Berliner Kriminalkommissare Bernie Bund und Christian Schubert beobachteten ihn ganz genau. Der Richter befragte Kommissar Vincent Schuber nach seinen Personalien und erklärte ihm, er könne die Aussage verweigern, wenn er sich dabei selbst belasten müsste. Und dann legte der Staatsanwalt auch gleich los. "Kommissar Vincent Schuber: Wie fanden sie den Folterkeller von Jack Liefers vor?", fragte Herrmann Hess.

"Äh... wie meinen sie das?", fragte Vincent Schuber sichtlich verwirrt.

"Na ich will wissen wie sie den Folterkeller vorgefunden haben.", erklärte der Staatsanwalt seinem geladenen Zeugen.

"Ich dachte sie würden mich nach der Verfolgung von Melissa Klein fragen."

"Das kommt noch. Aber zuerst will ich etwas über den Folterkeller hören."

"Dazu kann ich ihnen aber leider keine Angaben machen.", erklärte Vincent.

"Wieso nicht? Würden sie sich dabei etwa selbst belasten?", fragte plötzlich der Verteidiger von Melissa Klein alias Susanne Beck den Zeugen der Anklage, woraufhin einige Zuschauer mal wieder zu kichern anfingen.

"Nein, natürlich nicht. Aber ich kann dazu keine Angaben machen, weil ich nie in dieser Folterkammer gewesen bin. Mein Kollege Herr Schubert war dort.", erklärte Kommissar Schuber.

"Und er hat die Angeklagte auch quer durch Deutschland verfolgt? Zusammen mit ihnen?", fragte der Staatsanwalt, der Schubert ein paarmal begegnet war und ihn gar nicht mochte, weil dieser ihn ziemlich durchschaut hatte.

"Dann sollten sie vielleicht ihn befragen.", meinte der Richter, während er zu den beiden im Publikum sitzenden Beamten blickte.

"Einverstanden. Ich fungiere gerne als ihr Überraschungszeuge, Herr Staatsanwalt. Besonders weil sie von uns allen am allermeisten überrascht sind.", meinte Kommissar Christian Schubert, während er mühevoll von seinem Zuschauerplatz aufstand und in Richtung Zeugenstand watschelte, während sein Kollege vorläufig entlassen wurde und sich neben Dr. Lomm setzte.

Kommissar Schubert wurde nach seinen Personalien befragt und wie jeder andere kurz über seine Rechte aufgeklärt und dann begann wieder der Staatsanwalt: "Wie fanden sie den Folterkeller von Jack Liefers vor?"

"Mit seiner Leiche darin, Herr Staatsanwalt."

Im Publikum kicherten schon wieder die Zuschauer. "Sie wissen ganz genau was ich meine!", wütete der Staatsanwalt.

"Ja. Ich weiß was sie meinen. Sie wollen wissen, ob Melissa Klein den geisteskranken Jack Liefers vorsätzlich ermordete, oder ob es doch Notwehr war."

"Genau das meine ich.", meinte der Staatsanwalt, der plötzlich Mühe hatte sich auf seinem Stuhl aufrecht zu halten.

Schubert war mal wieder auf dem besten Wege ihn fertig zu machen, sowie er es immer gemacht hatte, wenn sie einander begegnet waren. Diese Begegnungen fanden zwar ziemlich selten statt, aber der Staatsanwalt erinnerte sich an jede einzelne. "Da fragen sie wiedermal die falsche Person. Ich bin kein Arzt und kein Psychologe, ich bin nur Beamter.", meinte Kommissar Schubert, während er einen Blick in Richtung Jugendgerichtshilfe warf, die ahnungslos mit den Schultern zuckte (da sie zwar versucht hatte mit Melissa Klein alias Susanne Beck zu reden, diese ihr und allen anderen aber selbstverständlich rein gar nichts erzählt hatte).

"Was soll das jetzt wieder heißen!?", fragte der Staatsanwalt empört.

"Das soll heißen, dass ich nicht beurteilen kann was in Melissa Klein vorging, als sie den Killer mit einer Axt tötete. Ich muss mich an die Fakten halten."

"Na bitte. Jetzt kommen wir der Sache doch schon nähr. Nennen sie uns die Fakten, werter Herr Kommissar.", pöbelte der Staatsanwalt den Zeugen an.

"Aber gerne. Fakt ist: Melissa Klein tötete den Killer, als er mit einer Schusswaffe bewaffnet den Keller betrat. Fakt ist: Jack Liefers hätte sie mit seiner Waffe getötet, wenn sie ihm nicht zuvorgekommen wäre. Fakt ist: Er war es der sie entführte, was sie wiederum in die Opferrolle versetzte.", erklärte Schubert dem hohen Gericht.

"Ha! Da haben sie ihre Fakten.", sagte der Verteidiger zum Staatsanwalt, der darauf noch nicht einging, denn Schubert war noch nicht fertig.

"Fakt ist aber auch: Der Killer hatte sie nur deshalb entführt, weil er wußte dass sie wußte wer seinen Bruder ermordet hatte. Und Fakt ist auch: Melissa hatte es geschafft, sich zu befreien und mit Hilfe der vielen Folterwerkzeuge die Tür des Folterkellers zu knacken. Sie hätte also jederzeit flüchten und die Polizei alarmieren können, was sie aber nicht tat. Stadtdessen wartete sie auf ihren Entführer und erschlug ihn mit einer Axt.", erklärte Schubert.

"Ha! Da haben sie ihre Fakten!", sagte der Staatsanwalt zum Verteidiger, der darauf aber auch nicht einging, denn er merkte das Schubert noch etwas zu sagen hatte.

"Fakt ist aber auch: Bei Jack Liefers wurden eine Flasche mit Wahrheitsserum und die dazugehörige Spritze gefunden. Und damit wurde Melissa Klein bearbeitet, bis sie gestand wer für den Tod von Professor Thomas Liefers verantwortlich war. Hätte man sie nicht mit dem Serum bearbeitet, dann wären ihre Freunde möglicherweise noch am Leben. Und wie Dr. Lomm ja eben ausgesagt hat, kann diese Version des Serums zu einer gewissen geistigen Umnachtung führen. Und ich stimme in diesem Punkt vollkommen mit ihm überein."

"So hat Herr Lomm es aber nicht ausgedrückt.", schritt der Staatsanwalt geschwind ein.

"Ich hatte es zwar anders formuliert, aber genau das habe ich gemeint.", meldete sich Dr. Alfred Lomm von seinem Sitzplatz aus zu Wort.

"Es ist völlig nebensächlich, wie Herr Dr. Lomm seine Aussage formuliert hat. Wir wissen alle was gemeint war. Aber sie sind offenbar der Meinung, dass Melissa Klein tatsächlich mit dem Serum verhört wurde, nicht war?", fragte der ehrenwerte Richter den überraschend als Zeugen geladenen Kommissar.

"Ich und jeder andere klar denkende Beamte vertreten diese These, denn es ist der einzig logische Schluss den die Fakten zulassen. Die Angeklagte wurde mit 100prozentiger Sicherheit mit diesem Wahrheitsserum verhört.", erklärte Schubert.

"Damit steht also fest, dass berechtigte Zweifel daran bestehen, dass meine Mandantin den Serienkiller in voller Absicht getötet hat. Das Serum kann also durchaus ihr Gehirn vernebelt haben.", stellte der Verteidiger frohlockend fest.

"Offensichtlich haben sich ihre Zeugen gegen sie verschworen, Herr Staatsanwalt.", witzelte der 50jährige Richter.

"Nur weil es möglich ist, dass die Angeklagte während des Mordes an Jack Liefers nicht im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte war, heißt das nicht das es auch tatsächlich so war. Natürlich besteht die Möglichkeit, aber es ist doch wohl ziemlich unwahrscheinlich, oder? Es gibt außerdem eine Menge Beweise und eine Menge Zeugen, die belegen werden wieviel kriminelle Energie sie in ihrem Leben bereits freigesetzt hat. Selbst wenn die Anklage wegen Mordes nicht zutreffen würde, was natürlich nicht der Fall ist, so bleiben noch immer etliche andere Anklagepunkte übrig, die unwiderlegbar beweisbar sind. Sie kannte die Identität der Mörder von Professor Thomas Liefers, weswegen sie sich selbstverständlich der Mitwisserschaft schuldig gemacht hatte. Sie besaß während ihrer Festnahme 500.000 Euro, von denen keiner außer natürlich ihr selbst weiß, wo sie dieses Geld eigentlich gestohlen hat.", verteidigte sich Herrmann Hess verzweifelt.

"Verdammt. Hoffentlich erfährt niemand, dass ich ihr geholfen habe dieses Geld zu stehlen.", dachte Sandra Weck verängstigt.

"Sie besaß gefälschte Papiere und einen Wagen, den sie eigentlich nicht hätte besitzen dürfen. Und besagten Wagen hatte sie zwar nicht gestohlen, aber das Geld mit dem sie ihn kaufte hatte sie sich auf illegalem Wege beschafft.", fuhr der Ankläger fort.

Der Richter betrachtete die vielen recht übersichtlich hingelegten Beweisstücke auf seinem Richterpult. Darunter befanden sich auch ein Autoschlüssel und jede Menge gefälschte Papiere. Außerdem lag der Koffer mit den 500.000 Euro auch auf dem Pult vor dem Richter. Er nahm den Schlüssel in die Hand, sodass ihn jeder sehen konnte. Den Koffer hatte natürlich schon längst jeder Zuschauer bemerkt, da er aufgrund seiner Größe ziemlich deutlich sichtbar war. Nachdem der Richter dieses Beweisstück eingehend betrachtet hatte, legte er es wieder hin und sah sich die vielen gefälschten Papiere an. Die unauffällige Zuschauerin Anja Weißer dachte dabei stolz: "Ja. Das sind meine Meisterwerke. Bewundere sie ruhig so lange du willst. Aber du wirst natürlich niemals erfahren, dass ich für diese genialen Fälschungen verantwortlich bin."

Im Gerichtssaal war Schweigen eingekehrt. Alle hatten den Richter dabei beobachtet, wie er die Beweisstücke begutachtet hatte. Auch der Staatsanwalt hatte zur Abwechselung die Klappe gehalten. Doch dann fuhr er fort: "Herr Kommissar. Würden sie uns nun bitte erzählen, was sich alles ereignet hat, bis sie und ihr werter Herr Kollege die Spur von Melissa Klein alias Susanne Beck in der Hafenstadt Hamburg verloren."

"Aber sicher doch. Das alles lief ungefähr so ab..."

 

 

Und Kommissar Christian Robert Edward Edgar Schubert berichtete dem hohen Gericht von all den seltsamen Ereignissen, die sich seit der Flucht von Melissa Klein alias Susanne Beck (nachzulesen in dem wundervollen Kriminalroman "(K)ein Mord bleibt ungesühnt") ereignet hatten. Alle Anwesenden hörten fasziniert zu, bis die Geschichte in der Hansestadt endete. Von seiner Entscheidung mit seinem Partner erzählte Schubert dem hohen Gericht allerdings nichts. Nachdem Schubert‘s Erzählung beendet war, sagte der Staatsanwalt zu dem Verteidiger: "Na sehen sie. Wenn ihre Mandantin unschuldig war, wieso ist sie dann weggelaufen?!"

"Weil sie wußte dass jemand wie sie ihr niemals glauben würde.", konterte der Verteidiger.

"Ich werde hier und heute beweisen, dass diese Frau eine gemeingefähliche Kriminelle ist, die für immer eingesperrt werden muss! Hat jemand noch Fragen an den Zeugen?", fragte Staatsanwalt Herrmann Hess.

"He! Das ist mein Text.", schimpfte der Richter.

"Keine weiteren Fragen.", entgegnete der Verteidiger, bevor wieder ein Streit vom Zaun gebrochen werden konnte.

"Na schön. Der Zeuge ist entlassen. Dann können sie ja jetzt ihren nächsten Zeugen aufrufen, Herr Staatsanwalt.", sagte der Richter zu seinem Kollegen, während Kommissar Christian Robert Edward Edgar Schubert sich langsam aber sicher aufrichtete und in Kommissar Vincent Schubers Richtung ging, um sich neben ihn und Dr. Alfred Lomm zu setzen.

 

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